Grauwölfchen auf Jagd
Endlich ist es so weit! Die Temperaturen werden wieder höher, langsam kehrt der Frühling ins Land zurück. Viele der Halter von nordischen Hunden werden jetzt aufschreien und dem Schnee nachweinen. Man hört ja immer wieder, dass der Winter die beste Jahreszeit für die nordischen Hunde sei … komisch dass man gerade im Winter die meisten aber dann mit ihren Hunden nicht draußen sieht!
Nun, mein Grauwölfchen ist einer der Sorte, dem es egal ist, ob nun Winter mit Schnee, oder Sommer mit praller Sonne vorherrscht. Wenn er seine faule Phase hat, dann bei allen Wetterlagen. Was ihm absolut nicht taugt ist Regenwetter und Matsch. Da gehe ich aber ganz konform mit ihm. Das sind die Tage, an denen wir nur mal schnell eine kleine “Gassirunde” erledigen, aber dann doch lieber den Rest des Tages im Haus verbringen. Am wenigsten kann es mein Dicker ja leiden, wenn er am Bauch nass wird. Ein Grund warum der ohnehin wasserscheue Kerl auch bei größter Hitze nicht baden geht.
Apropos Baden: Schon mal gehört wenn ein Siberian Husky wie am Spieß 30 Minuten lang durchgehend schreit? Dann solltet ihr mal dabei sein, wenn wir ihn aus gesundheitlichen Gründen baden müssen! Das ist eine Erfahrung für sich, und kann schon mal den Tierschutz auf den Plan rufen.
Mein Grauwölfchen hat sich seit dem Verlust seiner Gefährtin ja ziemlich verändert, und hängt nun an mir wie eine Klette. Dabei weiß er aber ganz genau, wann und ob ich Zeit für ihn habe. Wochentags zum Beispiel geht er mit mir relativ kurze Strecken für seine “Geschäfte” und ist echt den ganzen Tag brav. Doch sobald das Wochenende naht – keine Ahnung ob Hunde einen Kalender lesen können – wird er unruhig und beobachtet jeden meiner Schritte. Wir haben es uns angewohnt, dass wenn es schön ist, wir zusammen kleine Ausflüge in der Gegend machen, und per Wagen an abgelegene Stellen fahren, wo wir in Ruhe ausgedehnte Spaziergänge unternehmen können. Mehr als 7-8 km schafft er aufgrund seines Alters und der gesundheitlichen Vorgeschichte ohnehin nicht mehr, aber diese Strecken genießt er dafür in vollen Zügen.
Für ihn beginnt das Tolle an den Ausfahrten schon damit, dass er in Richtung Wagen laufen darf, und in seinen geliebten Kofferraum springt. Dass es hinaus in die Natur geht, weiß er alleine daran, dass er sein Geschirr angezogen bekommt, und ich seine Wasserflasche einpacke. Da gibt’s dann keinen anderen Weg, als direkt zum Auto. Als wirklich braver Hund, genießt er sogar die Fahrt zum Ausgangspunkt unserer Ausflüge. Doch spätestens beim Einparken wird er meist schon heftig nervös und beginnt zu bellen und umherzuspringen. Ab dem Abstellen des Motors gibt’s meist kein halten mehr für ihn. In Sekunden muss die Heckklappe offen sein, und da steht er dann mit einem Schwanzwedeln und Grinsen im Gesicht, weil er genau weiß, jetzt geht’s wieder mal los …
Auch gestern war es so. Nachdem wir zuerst an allen uns bekannten, eigentlich abgelegenen Flecken, wieder umdrehen und wegfahren mussten, weil unsere Lieblings-Wiener wieder mal das ganze Umland in Beschlag genommen hatten, ihre Rostlauben in Felder, Wiesen und sogar in den Wald und mitten auf den Wegen parkten, sowie ihre Viecher – wie immer – frei laufend herumwildern ließen, suchten wir uns einen anderen Ort für unseren Spaziergang aus. Und wir fanden ihn auch. Weit und breit kein “W”, und keine Freiläufer.
Kaum aus dem Wagen, begann mein Grauwölfchen auch schon seinen ureigenen Instinkten zu folgen. Die Jagd konnte also beginnen. An der langen Schleppleine konnte er mir aber zum Glück nicht entwischen und somit auch keinen Schaden beim Wild verursachen. Die Rute hoch in der Luft, die dicke Nase am Boden, hatte er schon nach wenigen Minuten seinen ersten Erfolg! Der Schwanz wedelte wie wild, und mein Dicker hatte seine Freude! Er hatte ein Büschel Hasenfell “gefangen”. Stolz zeigte er mir das Teil! Ja er ist ein guter Jäger …
Wir begannen also unsere Spazierrunde, und man merkte die warme Temperatur. Alles mögliche an Getier huschte über die Felder. Rehe, Hasen, Mäuse, die Krähen sammelten sich, Reiher standen erhaben mitten am Acker und beobachteten ebenfalls das ganze Treiben. Auch mein Grauwölfchen beobachtete das alles, und wurde immer nervöser. Dann war es soweit … nach unzähligen Fellbüscheln, die er nun schon “erlegt” hatte, und einem in der Ackerfurche “gefangenen” Hasenkadaver, sprang direkt vor ihm ein Feldhase auf, und huschte davon. Jetzt kam er auf Touren! Zuerst stand er wie angewurzelt, weil er sich schreckte, dann bebte der ganze Hund vor Aufregung, und die grauen Gehirnzellen begannen offensichtlich zu arbeiten. In guter Huskymanier begann nun auch das Geschrei, um anzuzeigen, dass man sich ärgerte, weil Hase mittlerweile schon mit vollem Speed so weit weg war! Was macht aber Grauwölfchen? Der Kerl setzt sich hin, und schaut dem Hasen einfach weiter nach! Keine Spur mehr von “ich will dich jetzt jagen”! Kann es sein, dass er irgendwie begriffen hat, dass seine 45 kg Kampfgewicht nicht so schnell hinter diesem Hasi nachkonnten, um es auch zu erwischen?
Ja, er hatte es begriffen! Er dreht um, sah mich mit den braunen Kulleraugen an, bellte kurz, und war der Meinung: “Herrli, ich war brav, ich hab nicht gejagt, also will ich eine Belohnung von Dir!” Na gut, gab es halt einen Pferdefleischwürfel als Belohnung. In dem Moment, als ich ihm den Würfel vor die Schnauze hielt, und er ihn sich schnappen wollte, sah ich ein Reh aus dem angrenzenden Wald kommen. Auch Grauwölfchen sah es. Nun musste er sich entscheiden: Die schnelle Beute aus meiner Hand, oder die eher unerreichbare die sich gerade vor seiner Nase in Richtung Acker bewegte. Seine Augen fixierten das Reh, klar, seine Schnauze wollte das Leckerlie, auch klar. Wenn man jedoch nicht hinsieht was man schnappen will, dann kann’s schon mal schwierig werden, und so verpasste er eben das Leckerlie. Jetzt war’s vorbei mit ihm. Es konnte doch nicht sein, was ihm da heute geschah.
Wieder Schreierei und Bellerei. Ein Durchstarten auf 4 Pfoten, ich dachte: Jetzt wird’s heftig, denn wenn eine Schleppleine nach 15m ans Ende kommt, gibt’s erstens einen heftigen Ruck, oder wenn man vorher versucht diese zu bremsen, meist schöne Brandblasen auf der Handfläche. Bedingt durch die warme Temperatur hatte ich natürlich meine Handschuhe nicht an. Das Ende der Schleppleine hatte ich am Bauchgurt fixiert, also abbiegen konnte er mir nicht, ich hing ja auch noch als Anker an der Leine. Er startete also los. 5 Meter, 10 Meter, ich machte mich schon auf den Ruck gefasst. Doch: Nichts! Er bremste, blieb stehen, setzte sich kurz hin, dachte nach, und entschied sich für das Leckerli, dass ich noch immer in der Hand hielt … Faules Stück!!
Wir gingen nun weiter, Kilometer um Kilometer, und es gab ja noch sooo viel zu sehen und zu stöbern! Man glaubt ja nicht, was ein Hund so alles aufstöbert und findet. Und immer dieses Grinsen im Gesicht meines Dicken. Der freut sich echt über jede Feder, jedes Fellbüschel, eigentlich über alles was er so auf seinem Weg findet. Und ein Kasperl wie er ist, fehlen auch seine Einlagen nicht, die mich immer wieder zum Lachen bringen. So wie sein Abgang in den Graben neben der Bahn … ja wenn man nicht am Weg schaut, kann’s schon sein, dass man eben davon abkommt und wo runterpurzelt. Am Frechsten ist dann immer sein fragender Blick zu mir, warum ich ihn da nun runtergestoßen habe! Da krieg ich echt ein schlechtes Gewissen, obwohl ich mir keiner Schuld bewusst war. Er schafft es aber trotzdem immer wieder mich mit seinen Blicken zu irritieren, und mir zumindest eine “Teilschuld” anzuhängen.
Nachdem er sich wieder hochgerappelt hatte, machten wir die Runde dann irgendwann auch fertig. Mit einer raushängenden Zunge die wie eine alte Wandersocke an ihm baumelte (Wir waren ja doch annähernd auf YQ!-Distanz unterwegs … nach seinem offensichtlichen Gehabe), kamen wir dann wieder zum Wagen zurück. Nun begann sein geliebtes Ritual. Heckklappe auf, Leinen umhängen, Wasserschüssel raus, Wasser rein, saufen. Hinsetzen wie eine Statue und aufgeregt auf die 3 Leckerlies mit wedelndem Schwanz warten, die er immer bekommt wenn wir wieder zurück sind. Leckerlies runterwürgen, saufen, ab in den geliebten Kofferraum!
Tja, zufriedener geht’s für ihn nicht. Wir konnten also wieder nach Hause fahren, und uns auf den nächsten Tag vorbereiten. Denn seine langen Spaziergänge fordert er natürlich am Wochenende täglich ein! Kein Wunder bei dem heutigen Jagderfolg:
23 Fellbüschel von Feldhasen erwischt;
1 Maus totgetrampelt beim Versuch diese aufzustöbern;
8 Hasen per Blicke gejagt und nachgeschrien sie sollen doch warten!
1 Hasenkadaver in der Ackerfurche erlegt;
5 Rehe versucht zu hypnotisieren, leider erfolglos;
6 Leckerlies vom Herrli erwischt;
1 Versuch sich in Mistsuppe zu wälzen gescheitert;
1 Absturz in die Bahnrinne weil unaufmerksam;
ICH LIEBE MEINEN GRAUEN KASPERL!